Jeder halbwegs intelligente Mensch weiß, dass die DDR eine menschenverachtende Diktatur war, die im Rahmen ihres Selbsterhaltes ihre Bevölkerung drangsalierte und sich dabei auch über geltendes DDR-Recht hinweg setzte. Viele Opfer dieser Willkürherrschaft leiden bis heute unter den Folgen von jahrelanger Haft und Folter und sind zum Teil noch heute damit beschäftigt auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Oftmals sind die Opfer der DDR-Justiz mit der Tatsache konfrontiert, dass niemand über ihre Leiden berichtet, weil erstens im Westen Deutschlands kaum ein Interesse an der DDR und ihrer Geschichte besteht und zweitens ein Großteil der Ostdeutschen am liebsten einen Schlußstrich unter die „alte Leier“ ziehen und, wenn überhaupt, nur noch an die „gute, alte Zeit“ erinnert werden möchten.
Die Geschichte der DDR ist ein äußerst stiefmütterlich behandelter Teil der deutschen Historie, bei der man den Eindruck hat, dass sich das gesamte Land lediglich darin geeinigt hat, sich derer zu schämen und eben keine Konsequenzen aus dieser Vergangenheit zu ziehen. Wie anders ist es sonst zu erklären, dass maßgebliche Vertreter der Regierung und des Staatsapparates bei genauerem Blick auf eine Karriere bei der berüchtigten „Stasi“, dem Inlandsgeheimdienst der DDR, zurückblicken können, ohne dass diese schändlichen Taten Einfluß auf ihre heutigen Lebensläufe hat. Ganz im Gegenteil muss man leider feststellen, dass es genau diese Karrieren sind, die für die Errichtung der DDR 2.0, mehr gefragt sind denn je. Auf die ostdeutschen Erfahrungen, die Bevölkerung zu überwachen und zu drangsalieren, wird besonders von westdeutschen Politikern gern zurückgegriffen.
Hier genau wäre also ein Skandal zu finden, der es verdient hätte Einzug in die Medien zu halten und eine landesweite Debatte auszulösen. Wenn schon die Opfer jahrelanger Haft und Folter in DDR-Gefängnissen den deutschen Medien kaum eine Erwähnung wert sind, so sollte es doch einer in ihrem Selbstverständnis freien und unabhängigen Presse ebenso selbstverständlich sein frei und unabhängig darüber zu berichten, dass die deutsche Regierung von Schergen der Staatssicherheit unterwandert ist und vollkommen ungeniert an der Errichtung einer Diktatur arbeitet, die den Vergleich zu historischen Vorbildern nicht scheuen muss. Sollte man meinen. Dass dem nicht so ist, ist offensichtlich. Die DDR, so scheint es, ist vergessen. Ehemalige Mitarbeiter der Stasi können in der Regierung schalten und walten, wie es ihnen beliebt, ohne dass in den Medien auch nur leise über Amtsenthebungen und Prozesse nachgedacht würde.
Und doch gibt es zuweilen zarte Versuche mit dem Unrecht in der DDR aufzuräumen. Der Medizinhistoriker des Universitätsklinikum Halle Florian Steger hat sich einem der dunklen Flecken in der ostdeutschen Geschichte angenommen. Es ging ihm dabei aber nicht um die unzähligen politischen Opfer, die über Jahre hinweg in Haftanstalten, wie etwa dem berüchtigten Stasi-Gefängnis in Bautzen, eingekerkert waren. Die sind in den Medien kein Thema. Es ging ihm lediglich um Frauen, die „massenhaft in Kliniken weggesperrt“ wurden. Angeblich, muss man sagen, denn genaueres erfährt man in dem Artikel nicht. Wegen angeblicher Geschlechtskrankheiten sollen, laut Stegers Forschung, Frauen in Kliniken der DDR festgehalten worden sein. Inwiefern Stegers Forschung valide ist kann ich nicht beurteilen. Dass es Unrecht und Willkür in der DDR gab ist zweifelsfrei belegt. Dass es aber auch Geschlechtskrankheiten in dem fast abgeschotteten Land gab, sollte man ebenfalls als gesichert annehmen können, ohne dabei Erhebungen und Forschungen bemühen zu müssen.
Das Handelsblatt suggeriert jedoch, dass es in der DDR eben keine Geschlechtskrankheiten unter Frauen gegeben hat. Ich möchte folgenden Absatz aus dem Artikel in Gänze zitieren:
Wegen angeblicher Geschlechtskrankheiten sollen in der DDR massenhaft Frauen in Kliniken eingewiesen worden sein. Laut einem Forscher handelte es sich dabei um „Erziehungsmaßnahmen“ des Staatsapparates.
Weiter im Text heißt es:
Quellen deuteten daraufhin, dass es im Jahr etwa 3000 Frauen gewesen sein könnten, die mehrere Wochen auf den Stationen weggesperrt wurden.
Genau betrachtet lässt dieser Satz einige Fragen zu. Erst einmal fällt, auf dass Steger sich der Anzahl der Fälle selbst nicht sicher ist. „Es könnte sein“ ist kein Forschungsergebnis, sondern eine Vermutung im besten, eine Behauptung im schlimmsten Fall. Und: die Zahl von 3.000 Fällen steht einer Bevölkerungszahl von 16.000.000 gegenüber. In Prozent sind das rund 0,02. Von „massenhaft“ kann hier nicht die Rede sein. Diese „Maßnahmen“, die hier zu einem Skandal hochgepuscht werden sollen, können ebenso gut auf die Behandlung tatsächlicher oder vermuteter Geschlechtskrankheiten deuten, die mit längeren Voruntersuchungen verbunden waren.
Der Ruf, den ostdeutsche Frauen nach der Wende bei westdeutschen Männern hatten, ist bekannt. Sicherlich mehr als 3.000 Frauen der ehemaligen DDR haben sich direkt nach Wende in sexuelle Abenteuer mit Männern aus dem Westen eingelassen, ohne sich über die Gefahren durch sexuell übertragbare Krankheiten im Klaren zu sein. Frauen aus dem Ostblock galten damals als „leicht zu haben“ und haben für ein paar D-Mark alle Herzenswünsche ihrer Lover erfüllt. Eben diese Leichtgläubigkeit und Naivität wussten nicht wenige Männer, die für westdeutsche Frauen nicht attraktiv (reich) genug waren, zu schätzen. Das war auch vor der Wende nicht anders.
Zwei mal im Jahr fand zum Beispiel in Leipzig eine internationale Messe statt, zu der auch zahlreiche Gäste aus dem nicht-kommunistischen Ausland geladen waren. Junge Frauen haben diese Besuche gern zum Anlass genommen, sich etwas dazu zu verdienen. Dass es bei diesen „Treffen“ auch zur Übertragung von Geschlechtskrankheiten gekommen sein kann, ist mehr als wahrscheinlich, da kaum eine Frau in der DDR wusste, was ein Kondom überhaupt ist.
Unter diesem Aspekt sieht der Forschungsgegenstand von Florian Steger ganz anders aus und lässt sich unmöglich mit den Leiden jahrelang politisch inhaftierter Oppositioneller vergleichen, deren Leiden der heutigen marxistisch-feministisch gesteuerten Presse kaum noch eine Meldung wert ist. Sicher hat es in der DDR auch Frauen gegeben, die wegen angeblich „staatsfeindlichen Umtrieben“, wie es im Stasi-Jargon hieß, inhaftiert wurden. Diese wenigen Frauen werden jedoch genau so von der Presse ignoriert, wie die überwiegende Zahl der politisch inhaftierten Männer.
Dass also Frauen in der DDR in Kliniken eingewiesen und nach ein paar Tagen wieder entlassen wurden, lässt eher die Vermutung zu, dass die Behörden der DDR hier zwar in totalitärer Manier, aber eben vorsorglich handelten, um eingeschleppte Geschlechtskrankheiten nicht weiter in der Bevölkerung zu verbreiten. Und das ist nicht ausreichend, um sich anschließend als „Opfer“ zu präsentieren. Mögen dabei auch Motivationen des Staates eine Rolle gespielt haben, die durchaus als „Erziehungsmaßnahmen“ angedacht waren und keinen medizinischen Hintergrund hatten, so sind diese in der Ratio eines totalitären Systems nachvollziehbar. In erster Linie ist hier aber der gesundheitliche Aspekt zu sehen, denn die DDR hatte nicht die Mittel, um einer Epidemie von diversen Geschlechtskrankheiten zu begegnen und tat daher alles in ihrer Macht stehende, um wenigstens in diesem Feld nicht die Kontrolle zu verlieren.
Karsten Mende
Finde den Artikel gut – ja so etwas hat es in der DDR doch gegeben. Es war zum Teil auch so, daß unliebsame, aufmüpfige Frauen, dem Regime nicht gut gesottene Frauen, denen man strafrechtlich leider trotzdem nichts anhaben konnte, „eingewiesen“ wurden. Als ich 1973 z.B. in die UHA Weimar wegen § 213 StGB kam, wurde mir von verschiedenen weiblichen Häftlingen die Frage gestellt, ob ich denn auch schon einmal auf der „Tripperburg“ gewesen wäre. Natürlich wußte ich damals gar nicht, was damit gemeint war. Heute weiß ich es.
Habe ich ja auch erwähnt, dass es regimekritische Frauen gab, die weggeholt wurden. Ich habe nur auf einen Umstand hingewiesen, den der Artikel im Handelsblatt vollkommen ausgeklammert und verschwiegen hat. Und diese Frauen, die in ihrem ureigenen finanziellen Interesse, oft unter behördlicher Begleitung gehandelt haben, haben nun mal nichts mit Oppositionellen, wie Ihnen zu tun, wollen aber von IHREM Martyrium Opferpunkte kassieren. Das sollte Ihnen sehr wohl übel aufstoßen.
Wie kommen sie dazu zu behaupten das ostdeutsche Frauen nicht wußten was ein Kondom ist. Das sich ostdeutsche Frauen etwas dazu verdienten ist umstritten, aber das haben doch die Westdeutschen Frauen doch wohl auch. Also schön den Ball flachhalten mit dem Ossiebashing.
Halten Sie die Flinte richtig herum. Ich stamme aus Leipzig und weiß aus erster Hand, wovon ich spreche. Ich weiß auch, dass die Stasi gezielt junge Frauen auf Messegäste angesetzt hat, und diese „Damen“ haben für D-Mark alles mit sich machen lassen.
Wenn sie im Osten aufgewachsen sind müßten sie auch die Marke Mondo kennen. Die gab es in jeder Apotheke oder auch in Automaten. Das Frauen im Osten zur Messe als Hure gearbeitet haben habe ich nicht bestritten.
Die jungen, naiven Frauen haben sich darüber nur keine Gedanken gemacht. Verhütung war in der DDR nicht so ein Riesenthema, wie später, als man mehr über AIDS wusste. Die Formulierung war vielleicht etwas unpassend. Ich habe aber auch nicht behauptet, dass es keine Kondome gab. 😉
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe im Artikel ja geschrieben, dass in der DDR sehr wohl auch oppositionelle Frauen unter fadenscheinigen Begründungen weggesperrt wurden. Ich habe nur auf einen Umstand hingewiesen, den entweder das Handelsblatt, der Professor oder aber die befragten Frauen selbst „vergessen“ hatten zu erwähnen. In dem Artikel des Handelsblatt behauptet der Autor ja, dass die Maßnahmen wegen „angeblicher Geschlechtskrankheiten“ durchgeführt wurden. Ich finde schon, dass es im Interesse der wirklichen Stasi-Opfer ist, nicht mit den Frauen in einen Topf geworfen zu werden, die damals bereitwillig die Beine breit gemacht haben und anschließend auf importierte Krankheiten hin untersucht wurden, die der Staat nicht unter die Bevölkerung bringen wollte.
Eine Ärztin hat mir damals mal erzählt, dass in die „Tripperburg“ in Berlin-Buch ausschließlich Leute kamen, die sich bei vorhandener Infektion nicht ans Infektionschutzgesetz (ich weiß aber nicht welches) gahalten hatten oder wiederholt nicht gehalten hatten, die Krankheit also weitergaben. Und dann, bis es keine Ansteckungsgefahr mehr gab.
Ich geb das mal so rein sachlich ohne Wertung weiter. Man wird sicher Ort und Zeit beachten müssen. Fakt ist, dass in den 1950er Jahren in Ost wie West sehr rüde mit diesem Thema umgegangen wurde. Ich sehe das bis auf Weiteres eher als Zeitgeist, aber nicht politisch. Beispielsweise sind volltrunkene Personen in den Notaufnahmen der Krankenhäuser oft auch sehr rüde und verachtend behandelt worden.
Der Unterschied in Ost und West ist sicher, dass es eine (organisatorisch) freie Presse gibt, die sowas aufgreifen kann. Da gabs in der DDR nur das Eingabensystem, das ganz sicher nicht so viel Druck machen kann und deshalb lange nicht so wirksam war…
Aber trotzdem: Gedankenlose Fiesheit: OK, ja. Systematische Politik: Nein.